Zwischen Aufstieg und Krise
Plauen erlebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen beschleunigten Wachstums- und Modernisierungsprozess. Als regionale, in globale ökonomische Netzwerke eingebundene Industriestadt entwickelte sich die größte Stadt des sächsischen Vogtlandes zu einem Zentrum der Stickereiindustrie und der Spitzenherstellung. Zwischen 1843 und 1910 verdreizehnfachte sich die Bevölkerung der Stadt, sodass Plauen in diesem Zeitraum neben Chemnitz und Leipzig die am stärksten wachsende Stadt im Königreich Sachsen war. Die Jahre zwischen 1880 und 1912 sind aufgrund der günstigen Wirtschaftskonjunktur und des rapiden Wachstums auch als „goldene Jahre“ Plauens bezeichnet worden. Plauen als „Emporkömmlingsstadt“ (W. Erhardt) bot zu dieser Zeit nicht nur einer rasch wachsenden Zahl von Menschen Nahrung und Verdienstmöglichkeiten, es stellte auch stadttypische Chancen und Freiheiten jenseits des ökonomischen Raums (Bildung, kulturelle Selbstverwirklichung usw.) bereit. Die schwere Krise der Textilindustrie nach 1912, die Erschütterungen des Ersten Weltkrieges sowie die politische und wirtschaftliche Instabilität der Weimarer Republik stellen dann einen bemerkenswerten Kontrast zu diesem Zeitraum dar.
Im Zentrum des Projektes steht die Frage, wie sich städtische Identität und städtische Selbstbilder im Wechsel von Auf- und Abstieg Plauens entwickelten, welche Plausibilitäten und Funktion diese Selbstbilder für ihre Träger besaßen und welche Effekte sie hatten. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, ob es in Plauen eine spezifische Vorstellung über Funktion und „Wert“ der Großstadtwerdung gegeben hat und inwieweit sich die Stadtbürger gegenüber der zeitgenössischen Großstadtkritik abgrenzten. Grundlage der Forschung sind schriftliche Quellen wie Zeitungen und andere Presseveröffentlichungen, Akten und Publikationen städtischer Institutionen, Vereine usw. sowie Archivalien zur städtischen Erinnerungs-, Jubiläums- und Gedenkkultur.