Grenzfälle. Wahrnehmung sowie Darstellung von Kriminalität und Devianz im deutsch-polnischen Grenzgebiet seit 1945
Das Forschungsprojekt untersucht Narrative und Praktiken bezüglich Kriminalität und Devianz im deutsch-polnischen Grenzraum in einer Lokalstudie in Görlitz und Zgorzelec. Der Untersuchungszeitraum reicht von 1945 bis in die Gegenwart.
Staatliche Grenzen werden gemeinhin als besonders zu sichernde und kontrollierende Räume behandelt. Weiterhin werden sie häufig mit verschiedenen Formen von Kriminalität in Verbindung gebracht. Gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen werden hier verhandelt und Präventionsregimes etabliert. Daneben sind Kriminalität und Devianz sowie ihre Eindämmung zentrales Betätigungsfeld staatlicher wie auch gesellschaftlicher Ordnungs- und Regulierungsbemühungen in der Moderne. Über den Umgang mit diesem ‚Anderen’ wird Gesellschaft teilweise konstituiert. Wie welche Tat definiert, geahndet und verurteilt wird, ob sie als Verbrechen, kriminell, abscheulich oder Bagatelle gilt, ist dabei historischen Veränderungsprozessen unterworfen und nicht nur juristisch, sondern ebenfalls politisch, moralisch und sozial bestimmt; das gilt auch für die Bewertung der Täterinnen, Täter und Opfer.
Das Erkenntnisinteresse des Forschungsprojektes liegt auf der Frage, inwiefern die Grenzsituation über politische Systemwechsel hinweg Kriminalitätswahrnehmungen konfiguriert: Wie verhält es sich in diesem Raum mit gefühlten und tatsächlichen Bedrohungslagen, mit grenzspezifischen und grenzunspezifischen Delikten? Von Relevanz sind sowohl der historische Wandel der Deliktbereiche und ihrer Bewertungen, als auch die verschiedenen Phasen und Transformationen des Grenzregimes. Zugleich wird der Umgang mit Kriminalität und Devianz in der DDR und in der VR Polen sowie nach 1989/90 in den Blick genommen. Methodisch werden ethnografische mit archivalischen Erhebungen verbunden.
Das Projekt soll zur differenzierten Wahrnehmung von Kriminalität und Devianz in Grenzgebieten beitragen, insbesondere von tatsächlichen und gefühlten Bedrohungen.