Figuren der lokalen Aushandlung von Migration in Sachsen seit 1989/90 (AT)
Projektbearbeitung: Nick Wetschel
Das Spektrum der Deutungsangebote aus den frühen 1990er-Jahren von Sachsen als Ziel vielfältig motivierter und verursachter Migrationsbewegungen lässt sich vereinfachend anhand zweier Pole illustrieren: „Lieber sterben als nach Sachsen“ lautete eine SPIEGEL-Schlagzeile von Ende September 1991. Mit „Neue Heimat Sachsen“ hingegen überschrieb die Sächsische Staatskanzlei 1993 ein Angebot zu ‚Integration‘, das sich an ehemalige ‚ausländische Werktätige‘ der DDR richtete. In diesem Diskursrahmen bewegen sich generelle Fragen des Projektes: Wie wurde die gesellschaftliche Selbstverständigung über die Einwanderungsgesellschaft, die sich in der Folge des Umbruchs 1989/90 notwendig einstellte, in Sachsen ausgehandelt – und welche Akteurinnen und Akteure konstruier(t)en dabei welche Figuren?
Gegenwärtig – im Kontext der ‚Flüchtlingskrise‘ sowie infolge der Ereignisse 1989/90 – funktioniert ‚Sachsen‘ als Topos, der Begleiterscheinungen der Asyldebatte wie Gewaltausschreitungen und Behördenversagen plakativ für die Medienöffentlichkeit bündelt. Aushandlungsprozesse finden jedoch zwischen migrantischen Individuen, Institutionen von Politik und Verwaltung sowie Diskursgestalterinnen und -gestaltern in einem lokalen Migrationsregime statt. Die Analyse dieses Migrationsregimes soll eine Forschungslücke in der nach Migration fragenden DDR- und Transformationsforschung schließen. Dabei richtet sich das Erkenntnisinteresse auch auf eine notwendige Vervielfältigung der Perspektiven auf das bundesdeutsche Narrativ der Migrationsgesellschaft.
Über das Projekt Umbruchserfahrungen besteht eine Verbindung mit dem durch das BMBF geförderte Vorhaben „Ostdeutsche Migrationsgesellschaft selbst erzählen: Bürgerschaftliche Geschichtswerkstätten als Produktionsorte für Stadtgeschichten (MigOst)“, welches am Zentrum für Integrationsstudien (ZfI) an der TU Dresden bearbeitet wird.