1918 als Achsenjahr der Massenkultur
Kino, Filmindustrie und Filmkunstdiskurse in Dresden vor und nach 1918
Die Phase von der Erfindung des Kinematographen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird allgemein als die Ära des Jahrmarkts- und Wanderkinos bezeichnet, durch das eine Popularisierung des Films erfolgte. Zugleich begann bereits vor Kriegsausbruch der Übergang zu festen Kinobauten in den Großstädten, und es zeichnete sich die Tendenz zum abendfüllenden Spielfilm ab. Diese Entwicklung wurde durch den Krieg einerseits unterbrochen, andererseits trug dieser zum Aufstieg des noch jungen Mediums bei: Mobile Feld- oder Frontkinos wurden für die Truppenbetreuung eingesetzt, der Film diente der Dokumentation des Kriegs, mit ihm wurde die Zivilbevölkerung in der Heimat informiert, aber auch propagandistisch gelenkt. Gleichzeitig gewann mit der Gründung der UFA im Dezember 1917 die Spielfilmproduktion neuen Schwung. Beim Eintritt ins Achsenjahr 1918 war damit ein Fundament für die 1920er Jahre gelegt, in denen Entwicklungslinien der Vorkriegszeit entscheidend ausgebaut wurden. Hier setzt das Projekt an: Am Beispiel Dresdens, das 1910 mit 548.000 Einwohnern zum Kreis der fünf größten deutschen Städte gehörte, steht dabei ein auf Kinotopografie und -architektur fokussierter kinogeschichtlicher Ansatz im Vordergrund. Hierfür soll eine Website aufgebaut werden, die die urbane Verdichtung der Lichtspieltheater chronologisch sichtbar macht und auch die Entwicklung der Spielpläne einbezieht. Diese Analyse der großstädtischen Kinokultur wird durch wirtschafts- und technikgeschichtliche Aspekte ergänzt, da Dresden um 1918 ein Zentrum der Filmindustrie in Deutschland war und als Innovationsstandort hervortrat. In der Stadt bündelten sich überdies vielfältige Strömungen, die auf Traditionssicherung und Lebensreform gleichermaßen fokussiert waren. U.a. war Dresden Sitz des Dürerbunds, einem der wirkungsmächtigsten Sprachrohre gegen die durch Verstädterung und Massenkultur ‚verdorbene Gesittung‘, dessen Vorsitzender Ferdinand Avenarius auch Herausgeber des „Kunstwart“ war. Wie sich die bildungsbürgerliche ‚Kunstwartgesinnung‘ mit dem neuen Medium Film vertrug und inwieweit konservative Bildungsbürger den Übergang vom Sensationskino zur Filmkunst reflektierten oder der Faszination des Kinos erlagen, soll anhand der von Dresden ausgehenden zeitgenössischen Diskurse analysiert werden.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.