Die Altstadt – neu bebaut

Marktplatz Westseite, rechts Neubebauung (um Jahrtausendwende), links daneben Rathaus, im Hintergrund JenTower (Aufnahme: Anna Rausch, 02.01.2020)
Marktplatz Westseite, rechts Neubebauung (um
Jahrtausendwende), links daneben Rathaus,
im Hintergrund JenTower

Die Jenaer Innenstadt, gleichbedeutend mit Altstadt und Stadtzentrum, umfasst den Bereich zwischen Löbdergraben, Teichgraben, Leutragraben und Fürstengraben. Zentrale Gebäude und Plätze in diesem Bereich sind unter anderem das Rathaus, der Marktplatz, die Stadtkirche St. Michael, das Johannistor, das Universitätshauptgebäude sowie der JenTower und der Eichplatz.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Innenstadt zahlreiche Baumaßnahmen durchgeführt Die Zerstörung von Gebäuden und Straßenverläufen sowie Restaurierungen und Neubauten veränderten das Stadtbild grundlegend.

Veränderungen nach 1945

Die Bombardierung der Stadt in den letzten Kriegsmonaten hatte für das Zentrum fatale Folgen: Der schwerste Bombenangriff, jener am 19. März 1945, zerstörte Teile des Marktplatzes, die Weigelstraße, die Rathausgasse, die Löbderstraße sowie Teile von Kollegiengasse, Johannisstraße und Leutrastraße. Außerdem wurden das Zeiss-Werk und die Stadtkirche beschädigt. Das noch weitgehend mittelalterliche Straßennetz der Jenaer Altstadt wurde zerstört, und es entstand nun eine größere Freifläche: der „Zentrale Platz".

Ein Plan zur Neubebauung der Innenstadt: das „Jenaer Ensemble“

Insbesondere ab 1967 gab es Überlegungen zur Neubebauung der zum Teil kriegsbedingt zerstörten Innenstadt. Bei seinem Besuch in Jena im Jahr 1968 äußerte sich Walter Ulbricht zu den Plänen; daraufhin wurde die Neubebauung des Stadtzentrums konkretisiert. Denn die wichtigsten Entscheidungen zu den Bebauungsplänen fielen nicht auf städtischer Ebene, sondern auf staatlicher, also zentraler Ebene.

Mit dem geplanten „Jenaer Ensemble“, oder auch „Zentralen Ensemble“, sollte das Stadtzentrum nach sozialistischen Vorstellungen und architektonischen Grundsätzen neu gestaltet werden. Vor allem die große Bedeutung von Wissenschaft und Technik für die Stadt sollte Ausdruck finden, insbesondere in Gestalt des Forschungshochhauses des VEB Carl-Zeiss Jena. Letztlich wurde nur ebendieses Gebäude (der spätere JenTower) realisiert, da finanzielle und materielle Mittel fehlten und sich in den 1970er Jahren zudem die Planungsschwerpunkte änderten. Wäre das gesamte Projekt „Jenaer Ensemble” verwirklicht worden, hätte die Stadt einen noch größeren Teil ihrer historischen Bausubstanz verloren.

Ansicht auf Zentrum, Aufnahme: Herbert Henschel, Jena, undatiert [um 1968] (Stadtarchiv Jena, Sign. BS Abt.I BF 2 Nr. 31
Ansicht auf Zentrum, Aufnahme: Herbert Henschel, Jena, undatiert [um 1968]; unten links historischer Eichplatz und Timlersches Haus, rechts mittig der damalige Zentrale Platz, dahinter Marktplatz mit Baulücken

Der Flächenabriss des Jahres 1969

Im Zusammenhang mit dem Plan zur Neubebauung des Stadtzentrums und dem geplanten Forschungshochhaus wurden auch Teile von Straßenzügen, die während des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben waren, ab Juli 1969 abgerissen. Das betraf die Leutrastraße, die Brüdergasse, den Nordteil der Kollegiengasse, den Südteil der Johannisstraße sowie die Rinne. Auch der historische Eichplatz wurde durch die Sprengung der angrenzenden Gebäude in seiner alten Form zerstört. Dadurch änderten sich, wie schon nach den Zerstörungen 1945, Straßennetz und Stadtbild im Zentrum. Ursprünglich sollte sogar eine noch größere Zahl an Gebäuden gesprengt werden, wie zum Beispiel weitere Wohnhäuser, aber auch das Collegium Jenense, was allerdings nicht mehr verwirklicht wurde.

„Als ich hierher gekommen bin, war der größte Einschnitt der Abriss der Innenstadt, bevor der Turm gebaut worden ist, und dann auch der Turmbau.“

„Ich hab mir das sehr oft überlegt, es war eben da, die Innenstadt war da, der Eichplatz war da, und plötzlich war alles eingezäunt. Man kam nicht mehr dazu, und die Innenstadt war weg. Ich bin jetzt nicht so, dass ich sagen kann, ich bin früh und abends vorbei und hab die Veränderungen gesehen, man ist dann auch nicht immer hingegangen und es gab auch, soviel ich weiß, keine Bürgerbewegung oder so was. Das gab es ja alles nicht, das durfte ja nicht sein. Das war beschlossen, und da wurde abgerissen und neu gebaut“. (Interview mit Armin Jendrich*)

Das Stadtzentrum nach der „Wende“

Nach 1989/90 veränderten sich Baupolitik und Wertmaßstäbe abermals. Nun wurden vermehrt historische Häuser restauriert sowie Baulücken geschlossen, beispielsweise am Markt. Die Bebauung des Eichplatzes steht jedoch nach wie vor aus und ist immer wieder Thema kontroverser Debatten.

„Nach der Wende gab es natürlich viel mehr kleine Veränderungen, politisch natürlich, aber dann passierte sehr viel in der Stadt., Es ist saniert worden, und neue Häuser sind gebaut worden und Geschäfte. Also das war schon eine große Veränderung.“

„Jedes Haus und jedes Fenster, was erneuert worden ist oder Dach hat mir Freude gemacht, dass es erhalten geblieben ist, dass viele Sachen erhalten geblieben sind. Manches hätte man schöner bauen können, also wenn ich jetzt immer an das Papageienhaus denke auf dem Markt, aber inzwischen geht man dran vorbei, das ist selbstverständlich“. (Interview mit Armin Jendrich*)

 

Anna Rausch

Quellen und Literatur

  • Interview mit Armin Jendrich*, geführt von Anna Rausch am 29.10.2019 in Jena.
  • Diers, Michael (Hg.): Der Turm von Jena. Architektur und Zeichen. Jena 1999.
  • Ebert, Dietmar: Fremd sehen in der eigenen Stadt. In: Strubelt, Wendelin (Hg.): Jena. Dessau. Weimar. Städtebilder der Transformation 1988 - 1990. 1995 - 1996. Opladen 1997.
  • Nawrotzki, André: Zeitenräume. Kartografische Spaziergänge durch die Geschichte der Stadt Jena. Jena ²2014.
  • Philler, Kristian: Der Eichplatz: Leutrastraße, Kollegiengasse, Johannisplatz, Am Kreuz, Kirchplatz; ein geschichtlicher Streifzug. Jena 2014.
  • Stadtverwaltung Jena, Dezernat Bauwesen (Hg.): Jena 2000: ein Rückblick auf zehn Jahre bauliche Entwicklung in Stadtzentrum. Mering 2000.
  • Stutz, Rüdiger/Mieth, Matias (Hg.): Jena. Lexikon zur Stadtgeschichte. Berching 2018.