Edition und Kommentar. Aufbau und Vermittlung von kontextualisierenden Inhalten

Sektion III - Kommentierte Urkundeneditionen – Nur etwas für »Urkundionen«?

24. Juni 2022 - 11.00 Uhr

Andrea Rzihacek ‧ Wien

Forschungsschwerpunkte

  • Historische Hilfswissenschaften
  • Edition der Urkunden staufischer Herrscher
  • Medizinische Handschriften des Mittelalters
Portraitfoto von Andrea Rzihacek

Vita (Auszug)

  • 1991−2001 Mitarbeit an der Edition der Urkunden Kaiser Heinrichs VI. im Rahmen der Diplomata-Reihe der MGH
  • 2000 Promotion an der Universität Wien – Dissertationsschrift: Medizinische Wissenschaftspflege im Benediktinerkloster Admont bis 1500 (Abt-Engelbert-Preis des Benediktinerstifts Admont)
  • 2002−14 Bearbeitung der Edition der Urkunden König Philipps von Schwaben im Rahmen der Diplomata-Reihe der MGH
  • seit 2014 Bearbeitung der Edition der Urkunden Kaiser Ottos IV. im Rahmen der Diplomata-Reihe der MGH
  • Leiterin der Arbeitsgruppe Wiener Diplomata-Abteilung der Monumenta Germaniae Historica an der Österreichische Akademie der Wissenschaften Profil

Publikationen (Auswahl)

  • zusammen mit Bettina Pferschy-Maleczek, Eine unbekannte Urkunde und ein Deperditum Kaiser Ottos IV. im Archiv des Domkapitels von Verona. Der Kampf um Gerichtsrechte des Domkapitels, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 127 (2019), S. 141-154.
  • zusammen mit Renate Spreitzer (Bearb.), Die Urkunden Philipps von Schwaben (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 12), Wiesbaden 2014.
  • zusammen mit Renate Spreitzer (Hg.), Philipp von Schwaben, Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages, Wien, 29. bis 30. Mai 2008 (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19; Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 399), Wien 2010.
  • zusammen mit Renate Spreitzer, „Hanc paginam sigillo nostro iussimus communiri“. Siegel und Besiegelungspraxis der Urkunden König Philipps von Schwaben, in: Archiv für Diplomatik 53 (2007), S. 175-203.
  • Medizinische Wissenschaftspflege im Benediktinerkloster Admont bis 1500 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg.-Bd. 46), Wien/München 2005.

»Was fällt an den Vorbemerkungen auf? Sie sind zu lang.« Überlegungen zur Kommentierung von Urkunden in den Diplomata-Editionen der Monumenta Germaniae Historica

Bearbeiterinnen und Bearbeiter von Editionen von Herrscherurkunden im Rahmen der Diplomata-Reihe der Monumenta Germaniae Historica (MGH) stehen einem Urkundenmaterial gegenüber, das maßgeblich von zwei Parametern geprägt ist. Im Gegensatz zu Urkundenbüchern handelt es sich einerseits um Dokumente, die von nur einem Aussteller hergestellt und ausgehändigt wurden, die andererseits aber an eine große Zahl und Bandbreite von Empfängern ergingen, die verschiedensten Regionen des Reichs angehörten.

Die wissenschaftlichen Kommentare („Vorbemerkungen“) zu den einzelnen Urkunden haben sich an diesen Parametern zu orientieren. Sie sollen folglich zum einen Fragen aufgreifen, die sich aus der Gesamtbetrachtung der Urkundenproduktion des Ausstellers ergeben, etwa diplomatische und kanzleigeschichtliche Fragestellungen wie jene nach den Schreibern und Verfassern der Diplome, nach den Urkundenformen und der äußeren Form der Dokumente, Rasuren, Verbesserungen und Verfälschungen oder nach den Zusammenhängen mit anderen Diplomen dieses Ausstellers und mit jenen früherer und späterer Herrscher (Vor-/ Nachurkunden). Die Klärung der Überlieferung der  einzelnen Stücke steht darüber hinaus im Fokus eigens für die Edition durchgeführter Archivreisen, und deren Ergebnisse sollten ebenfalls in den Kommentaren berücksichtigt werden. Ausstellerseitige sowie überlieferungs- und forschungsgeschichtliche Analysen können nur von Bearbeiterinnen und Bearbeitern geleistet werden, die sich – von den Texten ausgehend – eingehend mit dem gesamten Urkundenmaterial eines Herrschers auseinandergesetzt haben. 

Zum anderen müssen die Editorinnen und Editoren indessen auch auf relevante inhaltliche und vor allem regionale bzw. lokalhistorische Aspekte eingehen. Sie sind dabei auf Sekundärliteratur angewiesen, die zu überblicken, zu beschaffen und auf ihre wissenschaftliche Stichhaltigkeit zu überprüfen häufig eine große Herausforderung darstellt. Während verlässliche quellenbasierte Spezialforschungen zu einzelnen Empfängern in vielen Fällen noch fehlen, können zukünftige Einzeluntersuchungen Aussagen, die auf älterer oder wissenschaftlich ungenügend fundierter Sekundärliteratur getroffen wurden, rasch obsolet machen, im schlimmsten Fall sogar widerlegen. Da Diplomata-Editionen der MGH in der Regel mehrere Generationen lang benützt werden und Gültigkeit behalten sollen, wurde und wird die Frage nach dem Ausmaß der Berücksichtigung von Sekundärliteratur immer wieder diskutiert, ebenso wie die Ausführlichkeit und Länge der Kommentare, die einerseits die wichtigsten Aspekte einer Urkunde abdecken sollen, andererseits aber noch lesbar und auch Nicht-Diplomatikerinnen und -Diplomatiker verständlich sein müssen.

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