Edition und Kommentar. Aufbau und Vermittlung von kontextualisierenden Inhalten
Sektion III - Kommentierte Urkundeneditionen – Nur etwas für »Urkundionen«?
24. Juni 2022 - 9.45 Uhr
Arend Mindermann ‧ Stade
Forschungsschwerpunkte
- Niedersächsische Landes- und Kirchengeschichte
- Stadtgeschichte
- Ordensgeschichte
- Historische Hilfswissenschaften (Diplomatik, Sphragistik)
Vita (Auszug)
- 1993 Promotion an der Georg-August-Universität Göttingen – Dissertationsschrift: Adel in der Stadt des Spätmittelalters. Untersuchungen am Beispiel von Göttingen und Stade (1300 bis 1600)
- seit 1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden in Stade
- 2005−07 Lehrbeauftragter an der Universität Hannover
- seit 2007 für die Akademie der Wissenschaften in Göttingen im Projekt „Germania Sacra“ tätig
Publikationen (Auswahl)
- Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden (Verdener Urkundenbuch, I. Abteilung), bisher Bd. 1-4 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 205, 220, 260, 305/1-2), Göttingen 2001–2019.
- Katholisch-protestantische Bruderschaften? Die Stader Bruderschaften im 16. und 17. Jahrhundert, in: Elisabeth Lobenwein/Martin Scheutz/Alfred Stefan Weiß (Hg.), Bruderschaften als multifunktionale Dienstleister der Frühen Neuzeit in Zentraleuropa, Wien 2018, S. 477-492.
- Das franziskanische Termineisystem, in: Volker Honemann (Hg.), Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reformation, Paderborn 2015, S. 195-264.
- (Bearb.), Die Landtagsabschiede des Erzstifts Bremen und des Hochstifts Verden (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 244), Hannover 2008.
- zusammen mit Ida-Christine Riggert-Mindermann, Die Klosterlandschaft im Bistum Verden, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 67 (1999), S. 1-50.
- Adel in der Stadt des Spätmittelalters. Göttingen und Stade 1300 bis 1600 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 35), Bielefeld 1996.
- Repertorium abschriftlich überlieferter Urkunden zur Geschichte des Erzstifts Bremen und des Bistums Verden im Mittelalter, Teile 1-6, in: Stader Jahrbuch 85 (1995), S. 17-78; ebd. 86 (1996), S. 11-38; ebd. 87/88 (1997/98), S. 53-82; ebd. 89/90 (1999/2000), S. 11-34; ebd. 91/92 (2001/02), S. 13-50; ebd. 93/94 (2003/04), S. 29-52.
Konzeption und Konzeptionsanpassungen bei den niedersächsischen Fondseditionen am Beispiel des Verdener Urkundenbuchs
Im Jahr 1968 entwickelte der niedersächsische Archivar und spätere Direktor des Hauptstaatsarchivs Hannover Manfred Hamann ein Konzept für die Erstellung eines Calenberg-Grubenhagenschen Urkundenbuchs in mehreren Abteilungen. Die erhaltenen Archivfonds der früheren Klöster jener niedersächsischen Region sollten darin in jeweils separaten Bänden ediert werden. Er selbst legte dann mit dem ‚Urkundenbuch des Klosters Fredelsloh‘ im Jahr 1983 die 1. Abteilung des Calenberg-Grubenhagenschen Urkundenbuchs und mit dem ‚Urkundenbuch des Klosters Reinhausen‘ im Jahr 1991 die 3. Abteilung des Calenberg-Grubenhagenschen Urkundenbuchs vor. Seine Konzeption wurde in Niedersachsen sehr positiv aufgenommen und sofort in andere niedersächsische Regionen übertragen. Schon 1977 erschien in derselben Konzeption das von Dieter Brosius bearbeitete ‚Urkundenbuch des Klosters Scharnebeck‘. Diesem Band folgten dann in derselben Konzeption die Urkundenbücher zahlreicher weiterer früherer Klöster und Stifte Niedersachsens. Insbesondere Manfred Hamanns Nachfolger im Hauptstaatsarchiv Hannover, Dieter Brosius und Manfred von Bötticher, waren daran maßgeblich mit mehreren Bänden beteiligt.
Manfred Hamann griff bei seinem Konzept ganz bewusst ein bewährtes Editionskonzept auf, das der Lüneburgische Landschaftsdirektor Wilhelm von Hodenberg bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entworfen hatte: In den einzelnen Regionen des damaligen Königreichs Hannover sollten die erhaltenen Urkundenfonds der darin gelegenen einstigen Klöster und Stifte, sowie gegebenenfalls auch die der Fürsten und der Städte, in jeweils einzelnen Abteilungen ediert werden. Hodenberg selbst konnte für die Fürstentümer Calenberg und Lüneburg sowie die Grafschaft Hoya mehrere Abteilungen der von ihm konzipierten Urkundenbücher jener Regionen vorlegen. Ganz bewusst erschien deshalb das ebengenannte ‚Urkundenbuch des Klosters Scharnebeck‘ als 13. Abteilung des von Wilhelm von Hodenberg begründeten Lüneburgischen Urkundenbuchs.
Für das Fürstentum und frühere Hochstift Verden hatte Wilhelm von Hodenberg drei Abteilungen vorgesehen: Die Urkunden der Bischöfe und des Domkapitels sollten die 1. Abteilung bilden, die des St. Andreasstifts in Verden die 2. Abteilung und die der Stadt Verden die 3. Abteilung. Diese Bände konnte er aber nicht mehr fertigstellen, sehr wohl aber zwei Hefte mit Verdener Geschichtsquellen, die inzwischen, nach den großen Verlusten des Zweiten Weltkriegs, in hohem Maße die verlorenen Quellen ersetzen müssen.
Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts griff der Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden in Stade die Pläne Wilhelm von Hodenbergs und Manfred Hamanns auf und übertrug dem Referenten die Bearbeitung des ‚Urkundenbuchs der Bischöfe und des Domkapitels von Verden‘ als 1. Abteilung eines Verdener Urkundenbuchs. In den Jahren 2001 bis 2019 sind die ersten vier Bände dieses Urkundenbuchs erschienen, der vierte Band aufgrund seines Umfangs in zwei Teilbänden. Damit liegen jetzt die Urkunden von der Anfangszeit des Bistums in der Karolingerzeit bis zum Jahr 1470 ediert vor. Ein abschließender fünfter Band ist derzeit in Arbeit.
Angesichts der großen, bereits im 16. Jahrhundert einsetzenden Zerstörungen des Archivfonds des bischöflichen und domkapitularischen Archivs erschien für die 1. Abteilung des Verdener Urkundenbuchs eine reine Fondsedition aber wenig sinnvoll. Diese Konzeption wurde deswegen in mehreren Punkten modifiziert, die im Vortrag genauer vorgestellt und begründet werden.