Edition und Kommentar. Aufbau und Vermittlung von kontextualisierenden Inhalten

Sektion I - »Wer wird … später alle diese Briefe lesen?« Briefe und ihre Kommentierung im Fokus

22. Juni 2022 - 15.00 Uhr

Karl Borchardt ‧ München

Forschungsschwerpunkte

  • Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters
  • Ordens-, Papst- und allgemeine Kirchengeschichte
  • Historische Hilfswissenschaften
Portraitfoto von Karl Borchardt

Vita (Auszug)

  • 1994 Habilitation an der Universität Würzburg mit einer Arbeit zum Thema: Die Cölestiner. Eine Mönchsgemeinschaft des späteren Mittelalters
  • 1994/95 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Monumenta Germaniae Historica, München (Briefsammlung des Petrus de Vinea)
  • 1996/97 Wissenschaftlicher Mitarbeiter (DFG) an der Universität Würzburg (Briefsammlung des Richard von Pofi)
  • 1997−2001 Lehrstuhlvertretungen in München und Würzburg
  • 2001−07 Leiter des Stadtarchivs in Rothenburg ob der Tauber
  • seit 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Monumenta Germaniae Historica, München Profil

Publikationen (Auswahl)

  • Documents concerning Central Europe from the Hospital's Rhodian Archives (1314–1428), London 2021.
  • Ein Würzburger Formularium der späten Stauferzeit in Clm 639, in: Archiv für Diplomatik 66 (2020), S. 70-149.
  • Text und Paratext. Petrus de Vinea III 32-36 und die zugehörigen Rubriken, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 75 (2019), S. 71-99.
  • zusammen mit Kurt Andermann/Franz Maier, Die Urkunden des Freiherrlich von Gemmingen'schen Archivs von Burg Hornberg über dem Neckar: Regesten 1283 bis 1845, Ubstadt-Weiher/Basel 2018.
  • Die nach Petrus de Vinea benannten Briefsammlungen und die römische Kurie. Beispiele einer frühen Rezeption, in: Tanja Broser/Andrea Fischer/Matthias Thumser (Hg.), Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter, Köln 2015, S. 301-312.
  • Kaiser Friedrich II., Petrus de Vinea und die nach ihm benannten Mustersammlungen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), S. 541-594.
  • Die Cölestiner. Eine Mönchsgemeinschaft des späteren Mittelalters (Historische Studien 488), Husum 2006.
  • (Bearb.), Die Würzburger Inschriften bis 1525 (Die Deutschen Inschriften 27), Wiesbaden 1988.
  • Repertorium Germanicum VIII/2: Pius II. (1458–1464). Indices, Tübingen 1993.

Briefe oder Formularien? Die nach Petrus de Vinea benannten Mustersammlungen

Die sogenannten Briefsammlungen des langen 13. Jahrhunderts bieten Texte für den Unterricht der Ars dictaminis. Ihren Redakteuren ging es nicht darum, historische Quellen nach Art eines Weißbuchs zusammenzustellen, sondern Muster für sachlich und stilistisch angemessene Verwaltungsmandate. Formulierungshilfen für den Kanzleibetrieb waren die Summe dictaminis höchstens in zweiter Linie. Ihre weite Verbreitung erklärt sich aus der Beliebtheit der Ars dictaminis im lateinischen Europa. Inhalt und Handschriftenüberlieferung werden näher charakterisiert (vorwiegend Mandate, vier Hauptformen unterschiedlicher Größe). Was bei den Petrus de Vinea-Sammlungen vorbildlich erschien, hat Benoît Grévin, Rhétorique du pouvoir médiéval (2008) methodisch mustergültig aufgezeigt. Doch ab dem 13. Jahrhundert entwickelten die Kanzleien speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Formularien, die außerhalb der Kanzleien selbst kaum verbreitet wurden. Die Summe dictaminis wurden weiter benutzt und kopiert bis zum Aufkommen humanistischer Stilideale im 15. Jahrhundert, aber neue Sammlungen entstanden nicht mehr. Um die im Titel gestellte Frage zu beantworten: Aus den dargelegten Gründen würde ich weder von Briefen noch von Formularien reden, sondern mit den Zeitgenossen von dictamina oder einfach von Textsammlungen.

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