Fremde in Uniform – Ausländische Soldaten im sächsischen Militär
von Torsten Schwenke
Kriege entwurzeln Menschen. Dies gilt und galt vornehmlich für die durch kriegerische Auseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogene Zivilbevölkerung. Jedoch waren auch die Protagonisten der organisierten Gewalt − Soldaten und Offiziere – immer wieder entweder gezwungen oder versucht, ihr Glück jenseits ihrer Heimat zu suchen. Gerade die Söldnerheere, die bis ans Ende des 17. Jahrhunderts das Kriegsgeschehen in Europa prägten und nur bei Bedarf im Konfliktfall zusammengestellt wurden, zeichneten sich durch eine bunte Zusammensetzung in der Herkunft des Personals aus. So warben etwa die sächsischen Kurfürsten im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit zunächst vermehrt die als sehr kriegstüchtig geltenden Böhmen oder Schweizer an. Eine neue Qualität brachte schließlich die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Wurde zunächst noch versucht, die Werbung von Soldaten möglichst nicht auf eigenem Gebiet durchführen zu lassen, entwickelte sich schnell eine eigene Dynamik. In der Situation eines sich sukzessive erweiternden Kriegstheaters, in dem es neben der Flucht vor unmittelbarer Kriegseinwirkung auch zu konfessionell begründeten Vertreibungen kam, spülte es immer mehr Entwurzelte in die Armeen. Bei der Belagerung Freibergs durch die schwedische Armee im Jahre 1643 – um nur ein Beispiel zu nennen – war es keine Besonderheit, dass bei einem Ausfall der Besatzung drei Gefangene unterschiedlicher Herkunft gemacht wurden, denn beim folgenden Verhör stellte sich heraus, dass einer aus der Mark Brandenburg stammte, ein weiterer aus Lothringen kam und der dritte gebürtiger Italiener war. Teilweise hatten auch sie schon auf der Seite der anderen Kriegspartei gekämpft und waren durch das in dieser Zeit weitverbreitete „Unterstoßen“ oder „Unterstecken“, d.h. die Übernahme von Gefangenen in die eigenen Reihen, nun in schwedische Dienste gekommen. Und dies galt für nahezu alle europäischen Armeen dieser Zeit, so auch für sächsische Einheiten.
Neben diesen Zufälligkeiten im Nationalitätenmix des Militärs förderten die sächsische Obrigkeit infolge genereller Verstetigungen von Armeen gegen Ende des 17. Jahrhunderts auch gezielte Anstellungen von Ausländern in heimischen Truppen. Zum einen sei hier auf die als Palastwachen in Mode gekommenen Schweizer-Garden verwiesen, wie es sie noch bis heute im Vatikan zu bestaunen gibt und die mit Unterbrechungen bis 1815 auch am Dresdner Hof existierten. Hier kamen zunächst in allen Dienstgradgruppen nur Eidgenossen zum Einsatz. Erst im Lauf der Zeit rekrutierte der sächsische Hof die Mannschaften aus praktischen Überlegungen vermehrt aus sächsischen Untertanen, wobei die Offiziere weiterhin ‚echte‘ Schweizer waren. Zu nennen wäre hier beispielsweise Johann Joseph Griset Baron de Forell (1741–1820), der zunächst in Frankreich diente und schließlich nach dem Siebenjährigen Krieg in sächsische Dienste trat. Hier avancierte er zum Kommandanten der Schweizer Garde und gab schließlich seine Erfahrungen als Erzieher auch an die sächsischen Prinzen weiter. Ebenso verweist der Lebensweg eines anderen Schweizers auf den regen Austausch zwischen den verschiedenen Staaten und Territorien. 1680 in Basel geboren, trat Johann Rudolph Faesch 1712 nach Diensten in Holland in die sächsische Armee ein und war hier als Ingenieuroffizier tätig, wobei seine wissenschaftlichen Schriften, so etwa zur Militärarchitektur, weithin rezipiert und kommentiert wurden. Darüber hinaus blieb der praktische Austausch zwischen den Militärs verschiedener Staaten noch bis zum Vorabend des ersten Weltkrieges mit unterschiedlicher Intensität erhalten. So lassen sich noch im ausgehenden 19. Jahrhundert längere Truppenbesuche ausländischer Offiziere bei der sächsischen Armee nachweisen. Beispielsweise dienten in den 1880er Jahren zum Beispiel der japanische Hauptmann Kigosi auf Wunsch vom Gesandten des Tenno zeitweilig in einem sächsischen Infanterieregiment oder der schwedische Artilleriehauptmann Jonsson für sechs Monate in der sächsischen Feldartillerie.
Jedoch lässt sich der obrigkeitlich geförderte außersächsische Einfluss auf das Militärwesen nicht nur auf die Weiterentwicklung der Kriegswissenschaften oder den Austausch von Personal verengen. Vielmehr spielten, vor allem während der sächsisch-polnischen Union im 18. Jahrhundert, auch die Faszination des Fremden als Mittel der Außendarstellung des Hofes und das Interesse an der Übernahme anderer Mittel der Kriegführung für die eigene Armee eine Rolle. Neben der bereits erwähnten Schweizer Garde kann dafür zunächst die Errichtung des sogenannten Janitscharen-Bataillons im Vorfeld des Zeithainer Lagers von 1730 angeführt werden. Angeregt durch die Erfahrungen in den Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich wurde diese sächsische Truppe hauptsächlich aus Soldaten aus dem polnischen oder südosteuropäischen Raum zusammengestellt und erregte auf dieser von ganz Europa beachteten Truppenschau nicht nur durch ihre besondere Uniformierung einige Aufmerksamkeit. Zum anderen war es in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Aufstellung leichter Reiterregimenter, die erneut eine größere Anzahl ausländischer Offiziere und Soldaten in sächsische Militärdienste führten. Dies erscheint bemerkenswert, da sich allgemein schon die Tendenz zu einer Beschränkung der Armeerekrutierung auf Landeskinder immer weiter verstetigte. Bei den leichten Reitertruppen war es hingegen die Neuartigkeit der Kampfweise, die eine Einstellung geübter Offiziere und Mannschaften zunächst notwendig machte. Hierzu wurden vorzugsweise kenntnisreiche ausländische Offiziere angestellt, die dann in Ostpolen und Galizien bzw. auf dem Balkan die Trommel für den Dienst in den sächsischen Kavallerieeinheiten rührten.
Abgesehen von dieser Integration aus repräsentativen oder militärpraktischen Erwägungen war es lange Zeit auch der internationalen Vernetzung der Adelsgesellschaft geschuldet, dass in den Stamm- und Ranglisten des sächsischen Offizierskorps immer wieder Protagonisten auftauchten, die nicht in Sachsen geboren worden bzw. deren Vorfahren aus anderen Staaten nach Sachsen gekommen waren. So findet sich, etwa nach der dynastischen Verbindung zwischen Sachsen und Polen im 18. Jahrhundert, noch bis ins 19. Jahrhundert eine Anzahl polnischstämmiger Offiziere in sächsischen Diensten. Doch nicht nur diese bereicherten die Führungsschicht des Militärs und wurden in die sächsische Gesellschaft integriert, sondern auch Italiener, Niederländer oder Franzosen. So musste beispielsweise die Familie D’Elsa aus Frankreich fliehen und fand Anfang des 19. Jahrhunderts Aufnahme in Sachsen. Einer ihrer Nachfahren, Karl-Ludwig D’Elsa (1849–1922), diente seit den Reichseinigungskriegen bis zum Ersten Weltkrieg unter sächsischen Fahnen. Er brachte es bis zum Rang eines Generalobersten und kämpfte schließlich auch in den Kriegen gegen Frankreich. Es lässt sich also festhalten, dass es im Verlauf der Frühen Neuzeit und bis ins 19. Jahrhundert hinein einen regen Austausch von Militärs über Ländergrenzen hinweg gab. Zwar rekrutierte sich das Gros des sächsischen Militärs aus Sachsen , es waren aber auch immer wieder Soldaten, die außerhalb der Landesgrenzen geboren worden waren, die durch ihren Erfahrungen und ihre Spezialkenntnisse die Fähigkeiten der sächsischen Streitkräfte ergänzten. Für einige von diesen sollte Sachsen schließlich auch zur neuen Heimat werden.
Zum Weiterlesen
ASCHE, Matthias u.a. (Hg.), Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 9), Berlin 2008.
KROLL, Stefan, Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728–1796 (Krieg in der Geschichte 26), Paderborn u.a. 2006.
MERTENS, Peter Elsa, Karl Ludwig d’, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: https://www.isgv.de/saebi
TÖPPEL, Roman, Forell, Johann Joseph Griset Baron de, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bearb. von Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: https://www.isgv.de/saebi