Fundstück aus dem LGA – im Mai 2019

Knipser und Profis – Fotoalben im Lebensgeschichtlichen Archiv

Kollage aus Fotoalben im Lebensgeschichtlichen Archiv

„Wie gefällt dir diese Blitzlichtaufnahme, doch alle schön getroffen. Am besten wirkt es, wenn man die Photographie nicht zu sehr von der Nähe ansieht.“ Diese Notiz stammt von einer Fotopostkarte, die in einem der 17 Fotoalben des Projekts 41 im Lebensgeschichtlichen Archiv des Instituts enthalten ist.

Die Alben sind zwischen 1860 und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angelegt worden und bildeten den Grundstock eines ethnographischen Forschungsschwerpunkts (2000 – 2002) am Institut. Auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden angekauft, geben sie nur wenige Informationen über ihre Herkunft, die HerstellerInnen, als auch die die FotografInnen preis. Ziel war es, sich der Quelle im Allgemeinen, aber auch dem Aussagewert des kontextlosen Fotoalbums zu nähern. Was bedeutet es also, wenn keine weiteren Informationen, wie Erzählungen zu den abgebildeten ProtagonistInnen bekannt sind?

Schaut man sich die Sammlung an, werden schon anhand der Einbandgestaltung die ästhetischen Normen und Trends deutlich: ob Einzelanfertigung oder Fabrikmodell in Leder, Stoff, Holzintarsien, florale Gravuren oder mit Buchschließen. Öffnet man sie, zeigt sich die individuelle Handschrift der GestalterInnen. In der Anordnung der Bilder als Ausdruck absichtsvollen Handelns, vollziehen sich Logik(en) des Schauens, des ästhetischen Ausdrucks und dem spezifischen Verständnis von Ordnung. Zwischen 41 und gesammelte 290 Fotografien zeigen entweder Einzelsituationen oder bilden als serielle Reihung eigene Binneneinheiten und narrative Sequenzen. Ein anderes Mal sind die schwarz- weiß Fotos hintereinander angeordnet. Manchmal fehlen sie auch und es bilden sich Leerstellen, die sich durch ungefüllte Seiten oder herausgenommene Bilder ergeben. Vorhandene Fotos sind zum Teil geklebt, in Fotoecken befestigt, mal quer, mal längs eingeordnet und haben unterschiedliche Bildgrößen. Zu den Fotografien tritt auch ein bemerkenswerter Materialmix: Stoffe, die von Klammern gehalten werden, Zeitungsausschnitte, Postkarten, eingelegte, nicht zum Album gehörende Seiten, nachträglich eingefügte oder lose Bilder, ja sogar Zeichnungen.

Bildunter- und Aufschriften oder Notizen auf der Bildrückseite geben der BetrachterIn Hinweise über ihre Herstellung und damit ihrer gewerbegeschichtlichen Einordnung, wie dies oft bei Portraitbildern in Steckalben der Fall ist. Ebenso erteilen die schriftlichen Zeugnisse Auskunft über Orte, Personen und Ereignisse; im Subtext aber auch über den Gefühlshaushalt der GestalterInnen. Das Album wird so zur Collage einer bildlichen und schriftlichen Erzählung. Vereins- oder Arbeitsalben, wie die der Handballmanschaft „Guts Muts“ aus Dresden-Johannstadt, der Meißner Kompagnie Chronik (2./N.44) oder des Turnervereins aus Chemnitz stehen neben privaten Familienalben, die Reisen an die Ostsee- oder andere Freizeitaktivitäten (Feiern) dokumentieren. Alle Alben enthalten neben zum Teil aufwendig inszenierten Einzel- und Gruppenfotos, spontan entstandenen Bilder, die vor allem soziale Beziehungen und ihre Hintergründe, wie öffentlicher oder privater Räume, in Städte, Wohnungen, Ateliers, Gärten, Wälder, Flüsse und Meere widerspiegeln.

[Artikel zum Weiterlesen: Heimerdinger, Timo: Das Fotoalbum der Familie von Hagen. Eine quellenkritische Erkundung, in: Volkskunde in Sachsen. Digitale Bilderwelten. Zur elektronischen Erschließung von Bildersammlungen, 8 (2003), S. 199-218.]

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