Fundstück aus dem ISGV – im November 2022
Laternen auf dem Theaterplatz – Die wahre Erleuchtung
von Emily-Sophie Witt
Wer momentan nach 17 Uhr durch die Dresdner Innenstadt spaziert, dem wird maßgeblich die neue Dunkelheit aufgrund der Abschaltung der Monument-Beleuchtungen auffallen. Umso mehr ein Anlass, an die opulente Ausleuchtung zu erinnern und auf die Bedeutung der Laternen des Theaterplatzes einzugehen.
Das Fundstück dieses Novembers zeigt eine Laterne direkt vor der Semperoper. Im Hintergrund sind die eingeschneite Kulturlandschaft des Theaterplatzes mit dem Denkmal von Johannes Schilling und die Ruine des Schlosses erkennbar. Jene Laterne als Symbolbild für die Ansammlung vieler weiterer Laternen auf dem Theaterplatz ist jedoch nicht nur Instrument der Inszenierung von Kulturdenkmälern, sondern selbst Teil des künstlerischen Ausdruckes und ferner ebenso ein Kulturdenkmal. Als Sachgesamtheitsteil kategorisiert, steht sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Komplex Semperoper unter Denkmalschutz. Ein Privileg, das den anderen auf dem Theaterplatz platzierten Kandelabern nicht zukommt.
Aufgrund seiner Entwicklung des ersten ohne ausländischen Einfluss errichteten Gaswerks zählt Rudolf Sigismund Blochmann als Begründer der deutschen Gasbeleuchtungsindustrie. Seine Dresdner Einrichtung zählt nach denen in Hannover und Berlin als das dritte Gaswerk in Deutschland. Zur Demonstration der neuen Straßenbeleuchtung wurden die Elbbrücke, die Neustädter Allee, der Schlossplatz und der Theaterplatz beleuchtet. Letzterer wurde mit 36 Kandelabern ausgestattet; eine beträchtliche Menge, wenn man bedenkt, dass das Gaswerk nur eine tägliche Leistung für die Beleuchtung von 50 Straßenlaternen aufbringen konnte. Dass gerade jene charakteristischen Orte Dresdens auch Orte der Präsentation der neuen Technik wurden, ist dabei nicht verwunderlich. Als Verkörperung der Partizipation und Materialisierung des Zukunftsgedanken befriedigte die Straßenbeleuchtung – wenigstens für eine kurze Zeit – den aufkommenden Wunsch nach Modernisierung und Reformpolitik. So konnte die cluster-artige Aufstellung die medizinisch, philosophisch-moralisch und volkstümlich begründete weitverbreitete Ablehnung von unnatürlicher (Straßen-)Beleuchtung beschwichtigen. Aus heutiger Perspektive eine nicht nachvollziehbare Vorstellung.
Ende der 1880er Jahre stellte sich mit der Aufstellung des König Johann Denkmals eine ähnliche Beleuchtungsfrage. Die Problematik der zentralen Positionierung des Denkmals löste sich allerdings schnell mit der Aufstellung von weiteren zu der Statue und ihren Kandelabern parallelverlaufenden Laternen. Durch deren Korrespondenz wurde nicht nur das Wechselspiel zwischen Architektur und Bildender Kunst gesteigert, es wurde zudem die ellipsenförmige Pflasterung des Platzes neu in Szene gesetzt. Sie ist als Teil der Sachgesamtheit Theaterplatz ebenfalls ein Kulturdenkmal.
Dass die zugehörigkeitslosen Laternen auf dem Theaterplatz trotz ihrer transformativen Wirkung auf die städtische und gesellschaftliche Infrastruktur nicht unter Denkmalschutz stehen, wirkt dadurch fast schon absurd. Die Inbetriebnahme der Straßenbeleuchtung steht beispielhaft für die Anfänge der dynamischen Verstädterung in Sachsen und veränderte nachhaltig das Arbeits- und Alltagsleben. Ob die Laternen des Theaterplatzes deshalb den Denkmalstatus verdienen, sei dahingestellt, eins ist dieses Fundstück aber auf jeden Fall: Bote der uns bevorstehenden dunklen Jahreszeit.