Fundstück aus dem ISGV – im Juni 2024

„Ein lebender Karpfen von einigen Vegetabilien umgeben“ - Künstlerinnen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Dresden

von Tim Schubert

Therese Richter, Ein lebender Karpfen von einigen Vegetabilien
umgeben, 1807, Öl auf Leinwand, 43,5 x 57 cm, © Albertinum
| GNM, Gal.-Nr. 2201, Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Den wiederkehrenden Besucher:innen unserer Webseite ist sie sicherlich ein Begriff: Die Sächsische Biografie, ein Online-Lexikon für relevante Personen der sächsischen Geschichte. Einer der redaktionellen Aufgabenbereiche betrifft die Erfassung neuer Personen. Bei den diesbezüglichen Recherchen in der aktuellen Tagespresse und Forschungsliteratur stößt der Bearbeiter wiederkehrend auf interessante Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Lebensbereichen. Zuletzt fiel eine Anfang des 19. Jahrhunderts im Dresdner Raum bekannte Künstlerin auf, beziehungsweise ihr Werk „Ein lebender Karpfen von einigen Vegetabilien umgeben“ (Öl auf Leinwand, 1807).

Das Gemälde von Caroline Therese Richter (1777–1865) wurde am 5. März 1808 öffentlich in Dresden Friedrichstadt während der Jahresausstellung der Königlichen Sächsischen Akademie der Künste präsentiert. In der Juni-Ausgabe des „Journals des Luxus und der Moden“ beurteilte ein anonymer Rezensent das Kunstwerk wie folgt:

„Therese Richter hat ein originelles Originalgemälde in Oel ausgestellt, das ein Beweis ihrer seltnen Kunstfertigkeit ist.“

Auf einer hölzernen Tischplatte liegt ein Fisch – ein Schuppenkarpfen. Von der Schwanzflosse links, die parallel zur Kante platziert ist, beschreibt der Körper des Tieres einen Bogen nach vorne. Mit dem weit geöffneten, mit Barteln bewehrten Schlund und dem stur geradeaus gerichteten Blick wirkt der Fisch, als würde dieser noch vergeblich um Atem ringen. Der französische Stilllebenbegriff „nature morte“ mutet hier prophetisch für den Karpfen und sein bevorstehendes Ende an. Rechts von dem sich im langsamen, stillen Todeskampf befindlichen Tier sind verschiedene Pflanzen zu erkennen: Möhren, Pastinaken, Lauchzwiebeln, Petersilie, eine Kartoffel und Stachelbeeren, teils in einem Becher mit Henkel verstaut. Auf den saftig grünen Blättern sitzen ein Schmetterling und ein Marienkäfer, weitere Stängel ranken sich um den Körper des Karpfens. Unterhalb der Tischplatte, in ihrem Schatten, lässt sich, nur schwer lesbar, die Bildunterschrift und Signatur der Künstlerin erkennen.

Lebende Tiere sind wiederkehrende Elemente in Richters Stillleben. Beispielsweise finden sich Eichhörnchen in dem Ölgemälde „Eine Waldgruppe“ von 1809. Auch der Karpfen repräsentiert die regionale Tierwelt. Diese viel genutzte Spezies wurde in den sächsischen Teichwirtschaften, u.a. in Moritzburg, bereits seit dem Mittelalter als Speisefisch gezüchtet.

Richter war eine Schülerin von Caroline Friederike Friedrich (1749–1815), die 1774 vom Kurfürst Friedrich August III. (1750–1827) zur „Pensionärin“ der Dresdner Akademie ernannt wurde (und somit von dieser finanzielle Unterstützung empfing) und ab 1783 ebendort, als einzige Frau, als Lehrerin für Stillleben unterrichtete. Dies stellt insofern eine Besonderheit dar, da Frauen in der Vormoderne – und oft auch darüber hinaus – die für Künstlerberufe notwendigen Ausbildungswege und Mitgliedschaften in entsprechenden Zünften vielerorts versperrt waren. Insbesondere die Ölmalerei war den männlichen Künstlern vorbehalten. Frauen, die in diese Domäne vordrangen, sahen sich mit Verboten und Strafgeldern konfrontiert.

Zuweilen konnte die Unterrichtung in einem Kunsthandwerk durch private Beziehungen erfolgen. Unter anderem lernte die Kupferstecherin Juliana Wilhelmine Bause (1768–1837) von ihrem Vater Zeichnen und Druckgrafik.

Diese Einschränkungen erfuhren im Laufe des 18. Jahrhunderts an den im deutschen Sprachraum gegründeten Kunstakademien erste Veränderungen. So gab es einen geringen Prozentsatz an weiblichen Schülerinnen und Mitgliedern in den großen Akademien, wie in Düsseldorf und Wien. An der 1776 in Weimar eröffneten „Freyen Zeichenschule“ lag der Anteil an Schülerinnen sogar konstant bei über 30 Prozent.

Auch an der Dresdner Kunstakademie lassen sich neben Therese Richter weitere Künstlerinnen wie Johanna Marianne Freystein (1760–1807) und Dorothea Stock (1760–1832) nachweisen, die ihre Werke bei den jährlichen Kunstausstellungen präsentierten. Damit hatten sie die Möglichkeit, im öffentlichen Kunstleben der Elbestadt rezipiert und gewürdigt zu werden. Eine grundsätzliche Zulassung für Frauen zum Kunststudium an der Dresdner Akademie wurde erst im April 1919 in ihre Satzung aufgenommen.

Therese Richter hat aufgrund ihres künstlerischen Wirkens in Dresden ihren Weg in die Sächsische Biografie gefunden. Was aktuell noch fehlt, ist ein ausführlicher Artikel. Wenn Sie sich durch dieses Fundstück inspiriert fühlen, weiter zum Leben und Schaffen der Künstlerin zu recherchieren, können Sie gerne unsere Redaktion kontaktieren. Das Stillleben ist in der Online Collection der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu finden. Das Original befindet sich im Albertinum.

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