Fundstück aus dem ISGV – im Juni 2022
Elbhangfest Dresden
von Claudia Pawlowitsch
Am letzten Juni-Wochenende wird gefeiert! Seit 1991 wird zwischen Loschwitz und Pillnitz das Elbhangfest ausgerichtet. Seinen Ursprung hat das Kunst- und Kulturfest in einer vor allem aus Anwohner:innen bestehende Benefiz-Initiative zum Wiederaufbau der Loschwitzer George-Bähr-Kirche sowie dem Restaurierungsvorhaben der Weinbergkirche in Pillnitz. Wenig überraschend war daher das erste Motto in Erinnerung an die beiden Erbauer der Kirchen gewählt: Von Bähr zu Pöppelmann. Zunächst als einmaliges Ereignis geplant, verstetigte sich die Idee infolge der positiven Resonanz. Ein Fest dieser Größe zu veranstalten war neu, dennoch konnten einige Macher:innen bereits auf Erfahrungen mit kleineren Veranstaltung (z.B. „Gullyfest“, Wachwitzer Brunnenfest oder das Weinfest) zurückgreifen.
Im November 1990 traf sich die eine Gruppe Elbhangbewohner:innen zu Gesprächen mit dem damaligen Leiter des Dresdner Stadtmuseums Matthias Griebel, um über die Möglichkeit für die Ausrichtung eines solchen Festes zu sprechen. Zwölf Jahre später wurden Griebel und Volker Wenzel, der ebenso zur Vorbereitungsgruppe gehörte, interviewt. Diese sowie sechs weitere Interviews sind im Lebensgeschichtlichen Archiv (LGA, Projekt 40) überliefert und geben einen Eindruck von organisatorischen Strukturen und Netzwerken, Entwicklungen, Erfolgen, Misserfolgen sowie Erwartungen rund um das Thema Elbhangfest.
Für jedes Elbhangfest ist das Festmotto zentral, welches im Vorjahr vom Festausschuss festgelegt wird. Stets geht es dabei um die mitunter humoristische Herstellung einer Beziehung zum Elbhang. Meist einigt man sich auf eine variantenreiche Anspielung auf das Thema „Heimat“, die, wenn auch augenzwinkernd, in pädagogischer Absicht auf die Besucher:innen abstrahlen soll.
Neben einem allseits akzeptierten Motto, hing und hängt das Gelingen für viele Interviewpartner:innen, die meist aus der Gründergeneration stammen, von weiteren Faktoren ab: Nicht „nach Westdeutschland zu gehen“, sondern „hierzubleiben und mitzugestalten“ war rückblickend für das Gelingen genauso entscheidend, wie bestehende Freundschafts- und Interessennetzwerke, aktiv mitarbeitende „Kreative“ sowie „Türöffner:innen“.
So einig wie sie sich in vielen Punkten waren, so sehr unterschieden sie sich in der Beurteilung des für die Festorganisation notwendigen Professionalisierungsgrades. War das erste Fest noch von vielen Vereinen und Einzelpersonen getragen und in der Erinnerung der Protagonist:innen von einem hohen Maß an Spontanität, Laienhaftigkeit und wenig behördlichen Restriktionen – wie beispielsweise einer fehlenden Haftpflichtversicherung – geprägt, wurde es zunehmend in professionalisierte Strukturen überführt. Zwar garantieren diese aus Sicht Einiger die Langlebigkeit und Qualität des Festes, würden aber andererseits ehrenamtliches Engagement degradieren. Beispielhaft führen sie die Diskrepanz zwischen der (Be)Zahlung bestimmter Vorarbeiten oder Fest-Dienstleistungen und dem hohen ehrenamtlichen Engagement an. Letzteres ist für viele Gesprächspartner:innen vor allem Ausdruck einer starken Verbundenheit zum Fest.
Der Widerspruch zwischen Ehrenamt und Professionalisierung konnte letztlich auch von den Macher:innen nicht aufgelöst werden. Die in der Gründerzeit geschaffenen Strukturen, wie der Festausschuss mit seinen zahlreichen anhängigen Arbeitsgemeinschaften, dem Vorstand und der Mitgliederversammlung, die bis heute als wichtigstes Gremium die inhaltliche Ausrichtung bestimmt, blieben bestehen. Weder der Einlass noch die Werbung stehen daher in der Tradition des Do it yourself. Grund sind laut der Interviewpartner:innen möglicherweise die Erwartungen der Besucher:innen und Anwohner:innen an das Fest („Niveau halten“) und die mitunter prekäre finanzielle Situation. Diese Gemengelage wurde zudem von Diskussionen um Eintrittsgelder, den Lärm, die temporär veränderte Verkehrsführung, die Größe des Festgeländes und den angestrebten Generationenwechsel flankiert. Trotz aller mitunter schwierigen Umstände – das konnten die Interviewten vor 19 Jahren noch nicht wissen – wird das Fest auch noch im Jahr 2022 gefeiert.