Fundstück aus dem ISGV – im Juli 2021

Bienenhäuser, Strohkörbe und Klotzbeuten – Imkerei und Bienen in Zeichnungen von Emil Lohse

von Antje Reppe

Ist die Biene überall? Auf sommerlichen Spaziergängen begegnen wir ihr bisweilen nur zufällig; im ländlichen wie urbanen Raum aber auch zielgerichtet in umweltpädagogischen Projekten, beispielsweise auf dem Bienenlehrpfad der Stadt Dresden. Präsenter soll sie werden dank globaler Initiativen wie dem von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ausgerufene World Bee Day am 20. Mai. Überraschend war allerdings der Fund zweier Frühwerke des Kunstpädagogen und Scherenschnittkünstlers Emil Lohse in den Sammlungen des ISGV.

Im Rahmen der Erschließung der hier verwahrten Unterlagen des Instituts für Volkskunde in Dresden sowie der volkskundlichen Forschungsstelle Dresden der Akademie der Wissenschaften der DDR fielen mir die Bilder zuerst aufgrund ihrer Farbenpracht und künstlerischen Qualität ins Auge – auf den zweiten Blick aufgrund der gewählten Motive.

Emil Lohse wurde 1885 in Schmiedeberg geboren, studierte von 1900 bis 1906 am Königlichen Lehrerseminar Dresden-Plauen und von 1911 bis 1913 an der Kunstgewerbeschule Dresden. Ab 1924 unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung 1945 am Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule Dresden. Die auf Mai 1910 und April 1918 datierten Zeichnungen entstanden also vor und nach seiner Ausbildung zum Zeichenlehrer und die gewählten Motive sind somit weniger im Kontext seiner künstlerischen „Lehr- und Wanderjahre“ zu suchen. Das Aquarell zeigt zwei bewährte Formen der Bienenhaltung, Strohkörbe und Magazinbeuten unter dem Schutz eines Bienenhauses, die Federzeichnung die im 20. Jahrhundert nur noch vereinzelt praktizierte Bienenzucht in Bäumen bzw. Baumstämmen, entstanden aus der als Zeidlerei bezeichneten Waldimkerei.

Bereits als Kind begeisterte sich Lohse für Tiere als künstlerische Motive. So setzte er diese in Collagen aus Bilderbögen oder in Kreidezeichnungen auf Schmiedeberger Freiflächen in Szene. Später weitete sich dieses Interesse auf naturkundliche Materialien und kulturgeschichtliche Zusammenhänge aus. In seinem künstlerischem Schaffen und pädagogischen Bestreben entwickelte er einen ganzheitlichen Anspruch, den er in seinen Motiven Ausdruck verlieh. Er befasste sich u.a. mit detaillierten Betrachtungen, wie am Beispiel diverser Zeichnungen von Hautflüglern in seinen posthum erschienen „Tierstudien“ nachzuvollziehen ist. Zugleich beschäftigte er sich mit ihren natürlichen wie kulturellen Zusammenhängen. In seinen Kunstwerken, vor allem in seinen Scherenschnitten, und in seinen wissenschaftlichen Studien griff er wiederkehrend Motive aus der Volkskunst auf. So verwundert es nicht, dass der Direktor des Dresdner Volkskunstmuseums, Oskar Seyffert, testamentarisch verfügte, Emil Lohse möge sein Amt als Leiter des Museums (damals Oskar Seyffert-Museum) übernehmen. Trotz seiner mit Hingabe durchgeführten Tätigkeit in der Lehrerbildung übernahm Lohse 1940 auch diese Aufgabe und leitete das Museum bis zu seinem Tod 1949 ehrenamtlich. Nach 1945 bemüht er sich, die kriegsbedingt teilweise zerstörten Sammlungen mit neuen Konzepten und unter wissenschaftlichen Aspekten wiederaufzubauen. Sicherlich begegnete ihm dabei auch diese volkskünstlerisch gestaltete, im Museum präsentierte Klotzbeute.

Ob er sich in diesem Zusammenhang an seine 1918 in Gomel (heute Belarus) gezeichneten Klotzbeuten erinnerte, muss offen bleiben. Durch die Motivwahl der – auch in Russland zu diesem Zeitpunkt schon als Relikt zu bezeichnenden – Zeidlerei wissen wir aber, dass Emil Lohse bereits lange vor seiner Tätigkeit im Museum ein Auge für volkskundlich relevante Themen hatte.

Die Auseinandersetzung mit der Biene bzw. Bienenzucht eröffnet ein weites Feld kulturanthropologisch-ethnologischer Interessensgebiete. Bräuche und Volksglauben rund um die Bienenhaltung sind hier nur ein Beispiel. Im Corpus der Segen und Beschwörungsformeln (CSB), einer kollaborativ zusammengetragenen Sammlung von Segen, Zauberformeln und Beschwörungen aus dem Mittelalter und der Neuzeit, finden sich 222 „Bienensegen“. Durch das Besprechen der Bienen sollten diese angelockt, gesegnet, zu reichem Ertrag angeregt oder am Schwärmen gehindert werden.

In den Sammlungen des ISGV befinden sich neben dem CSB im Nachlass Adolf Spamers auch im Digitalen Bildarchiv zahlreiche Quellen, die zu einer weiteren Beforschung dieser vielseitigen Thematik einladen. Neben gezielten Initiativen, die auf das zu verzeichnende Bienen- und Insektensterben aufmerksam machen, gilt es ein weitreichendes Bewusstsein für natürliche und kulturelle Zusammenhänge zu schaffen, um den Erhalt von Vielfalt zu sichern. In diesem Sinne wünschen wir emsiges (Forscher-)Streben, Engagement im Naturschutz, Freude an zunehmenden Blühflächen und #beebetter!

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