Fundstück aus dem ISGV – im August 2023

Problematische Größen, wertvolle Objekte. Aufbewahrung von ungewöhnlichen Nachlassstücken

von Katrin Mai und Christoph Sauer

Unser Institut besitzt eine Vielzahl von Sammlungen und Nachlässen. Sie bestehen aus Arbeits- und Personennachlässen sowie Überlieferungen der volkskundlichen Vorgängerinstitute. In einigen von ihnen finden sich neben schriftlichen Unterlagen, Zeitungen und Fotografien hin und wieder auch Objekte, die aufgrund ihrer Größe oder Materialbeschaffenheit anderer Aufbewahrung bedürfen als die üblichen Korrespondenzen und Akten aus A4-Papier. Als kleines Institut sehen wir uns mit dem Anspruch konfrontiert, alles bestmöglich zu erhalten und zu überliefern.

Aktuelle Aufbewahrung des Albrechtsordens (Albrechtskreuz) am Band
Aktuelle Aufbewahrung des Albrechtsordens
(Albrechtskreuz) am Band

Der Nachlass des Komponisten und Volksliedforschers Franz Magnus Böhme (1827– 1898) liegt in der SLUB Dresden. Doch Karl Dietrich Meyer überließ dem ISGV im Jahr 2001 Zeitungsausschnitte und die in der Familie überlieferten Erinnerungsstücke an seinen berühmten Urgroßvater. Darunter sind auch zwei Orden, die auf herkömmliche Pappe aufgesteckt wurden. So lagern sie in je einer Papiermappe in einem Archivkarton mit dem restlichen Nachlass. Vor Schmutz und Staub sind sie damit geschützt, doch wie verhält es sich mit Abreibungen, wenn der Karton gelegentlich umgelagert wird? Sind die aktuellen Lagerungsbedingungen zum Beispiel hinsichtlich der Luftfeuchtigkeit ausreichend, um (weitere) Beschädigungen, auch an den textilen Bestandteilen, zu vermeiden?

Der singende Zwerg in der Waldlandschaft hat schon bessere Tage gesehen. Seit etwa hundert Jahren sitzt er Gitarre spielend auf einem Fliegenpilz, um eine Märchenstunde anzukündigen. Das dicke Papier, auf das er gemalt wurde, hat über all die Jahre Risse bekommen. Das Werbeplakat von Curt Wild-Wall (1898–1990), das mutmaßlich zusammen mit dem umfangreichen Nachlass der Dresdner Märchenerzählerin Josefa Elstner-Oertel (1888–1996) ins ISGV kam, hängt jetzt als Dekoration im klimatisierten Büro. Das mag zusätzlichen Knicken vorbeugen, doch bietet diese Aufbewahrungsart keinen Schutz vor Lichteinwirkung. Dazu wäre ein Rahmen, bestenfalls mit UV-Schutzglas nötig. Die dicken Holzleisten an beiden Enden erschweren beziehungsweise verteuern eine solche Maßnahme, da sie Standardrahmen ausschließen.

Falzen des Farbdrucks „Afrikanischer Tanz“ von Helmut Gebhardt
Falzen des Farbdrucks „Afrikanischer Tanz“ von Helmut Gebhardt

Wohl über Jahrzehnte lagerte der Farblinolschnitt "Afrikanischer Tanz" zusammengefaltet in einem Plastikauszugskasten. Wieso das Werk des Dresdner Künstlers Hermann Gebhardt (1926–1989) Eingang in Rudolf Weinholds (1925–2003) Sammlung zum Weinbau gefunden hat, konnte noch nicht geklärt werden. Vorerst liegt es flach aus, in Pergamin verpackt, bis eine endgültige Aufbewahrungslösung gefunden ist. Die konservatorisch ungünstigen Plastikauszugskästen werden im Zuge der Aufarbeitung der Nachlässe schrittweise geleert, die Inhalte in angemessene Archivkartons überführt. Angesichts der Umfänge einiger Nachlässe wird es aber noch Jahre dauern, bis die Kästen geräumt und alle ihre versunkenen Schätze gehoben sind.

Vollansicht des beschädigten Wandteppichs von 1938
Vollansicht des beschädigten Wandteppichs von 1938,
© Deutsche Fotothek / Unbekannter Fotograf

Einen ähnlichen Werdegang besitzt der Wandteppich „Sachsen als Kulturmittelpunkt“. Offenbar verblieb er im Institut für Volkskunde, in dem 1945 der materielle Nachlass des Heimatwerks Sachsen (1936–1945) untergebracht wurde. Seither lagerte er zusammengefaltet in diversen Schränken und musste ebenso den Umzug des Instituts überstehen. Der 186 x 290 cm messende Wandteppich diente als eine von insgesamt vier großen Anschauungstafeln, die im Rahmen der 1938 in Dresden stattfindenden Leistungsschau „Sachsen am Werk“ ausgestellt wurden. Er zeigt berühmte europäische Persönlichkeiten, die kulturell im Gau Sachsen gewirkt haben. Im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda der Gaukulturorganisation wurden diese schließlich vereinnahmt und heroisiert. Das Exemplar in unserem Institut gilt als bisher einzig erhaltener Wandteppich bzw. überliefertes Ausstellungsstück der Leistungsschau. Der Zustand des Teppichs ist alles andere als gut: Nicht nur die darauf geklebten Porträts aus Papier sind unzureichend befestigt, auch die Rückseite weist Stockflecken sowie Beschmutzungen auf. Er müsste professionell gereinigt und im besten Fall restauriert, danach adäquat gelagert werden. Eine Abgabe an Institutionen mit fachlicher Expertise steht deshalb im Raum.

Detailansicht des beschädigten Wandteppichs von 1938
Detailansicht des beschädigten Wandteppichs von 1938

Begrenzte Kapazitäten der Archivschränke im Institut sowie limitierte finanzielle und zeitliche Mittel für eine Grob- oder gar Tiefenerschließung sind nur einige von vielen Problemen, die bei der Arbeit mit Sammlungsobjekten in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut zu schultern sind. Eine angemessene Archivierung ist oberstes Ziel. Diese kann jedoch hin und wieder das Entreißen aus der ursprünglichen Sammlung bedeuten. Die Verfahrensweisen des Umgangs mit dem jeweiligen Objekt mussten bisher immer wieder neu und einzeln festgelegt werden. Richtlinien oder Konzepte für die sachgerechte Archivierung im ISGV könnten hier Abhilfe leisten, die zusätzlich Arbeitsprozesse optimieren würden. Die hier vorgestellten Objekte bieten durch ihre unterschiedliche materielle Beschaffenheit einen interessanten Gegensatz zu den papiernen Akten und sind für künftige Forschungsprojekte wahre Schätze.

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