Fundstück aus dem ISGV – im April 2020

Die Jubiläumsfestschrift „Sachsen unter König Albert“

von Sönke Friedreich

 

1898 beging König Albert von Sachsen ein doppeltes Jubiläum: Am 23. April feierte er seinen 70. Geburtstag, im Oktober jährte sich seine Thronbesteigung zum 25. Mal. Das Jubiläum wurde mit zahlreichen Feierlichkeiten im ganzen Land begangen, die von öffentlichen Festen, Denkmalerrichtungen, historischen Festzügen und Straßenumbenennungen begleitet wurden. Wie zu dieser Zeit in den Monarchien der deutschen Einzelstaaten üblich, diente der dynastische Kult zur Demonstration der Einheit von Monarchie und Volk, von gegenseitiger Treue und von innerer Stärke. Dabei war weniger das Königtum selbst die treibende Kraft als vielmehr das städtische Bürgertum, bei dem der ‚volkstümliche‘ Herrscher Albert sehr beliebt war.

Aus Anlass des Doppeljubiläums veröffentlichte der Sächsische Volksschriftenverlag in Leipzig ein großformatiges Buch mit dem Titel „Sachsen unter König Albert. Die Entwicklung des Königreichs Sachsen auf allen Gebieten des Volks- und Staatslebens in den Jahren 1873–1898. Ein Volksbuch ... zum Jubiläumstage der Thronbesteigung seiner Majestät des Königs Albert, zum 29. Oktober 1898“. Der Volksschriftenverlag hatte es sich zur Aufgabe gemacht, zur Popularisierung des Wissens auf allen Gebieten und damit zur allgemeinen Volksbildung beizutragen – dies erklärt den Untertitel „Volksbuch“, der bekanntlich in verschiedenen Variationen und Medien bis in die Gegenwart verwendet wird. Das Buch mit seinen 385 Seiten sollte, so erklärte das Vorwort, umfassend und leicht verständlich darstellen, „was Sachsen der Regierung König Alberts auf allen Gebieten des Volks- und Staatslebens zu verdanken hat“. Zahlreiche Themen wurden in dem Buch abgehandelt, vom Städtewesen über die Landwirtschaft, die Arbeiterfürsorge, das Berg- und Hüttenwesen bis hin zur Presse und bildenden Kunst. Die enzyklopädische Aufmachung in 39 Stichworten, die Kürze der Beiträge (die Texte waren jeweils zwischen vier und zwölf Druckseiten lang) und nicht zuletzt eine reiche Bebilderung machten das Buch für weite Leserkreise zugänglich. Zwar ist nicht bekannt, wie viele Exemplare des Buches verkauft wurden, doch erfreute es sich ohne Zweifel große Popularität.

Das „Volksbuch“ ist allerdings mehr als ein Zeugnis des dynastischen Kultes an der Wende zum 20. Jahrhundert. Es ist vor allem ein Beleg für das starke bürgerliche Selbstbewusstsein in Sachsen, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts alle Bereiche des Landes dominierte und auf den Errungenschaften der industriellen Moderne gründete. Der König, gebunden durch die 1831 erlassene Verfassung und des politischen Tagesgeschäftes enthoben, war in erster Linie Repräsentant dieses modernen Selbstverständnisses und symbolisierte die Traditionsverhaftung einer im rapiden Wandel befindlichen Gesellschaft. Im Jubiläumsjahr 1898 feierte Sachsen den König – mehr noch aber sich selbst.

„Sachsen unter König Albert“ ist als Digitalisat bei der Universitätsbibliothek Leipzig abrufbar.

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