Die deutsche Künstlersteinzeichnung ca. 1895 – 1918 Farblithographien als Bildwandschmuck für Schule und Haus

Karl Biese, Scheidender Tag, Farblithigraphie, ca. 1905
Bearbeiter: Winfried Müller
Projektmitarbeiter: Michael Schmidt
Laufzeit: 2001 - 2018

Dem volkspädagogischen Ansatz verpflichtet, Haus und Schule mit künstlerisch ambitionierter und zugleich preisgünstiger Originalgraphik auszustatten, kam es seit den 1890er Jahren zur Durchsetzung der hohe Auflagen ermöglichenden Farblithographie. Namentlich die Grötzinger Künstlerkolonie bzw. Karlsruhe mit dem 1896 gegründeten Künstlerbund wurden zum „Vorort Deutschlands … auf dem Gebiet des Farbensteindrucks“ (Hans W. Singer). Aber auch in Dresden, Düsseldorf, Berlin und München konnten teilweise bedeutende Künstler für die Bewegung gewonnen werden. Motivgeschichtlich ordnen sich die Farblithographien vor allem in die Heimatkunst um 1900 ein, sie wollten – im Begriff der Künstlersteinzeichnung klingt es an – ein genuin deutscher Beitrag zur Kunstentwicklung sein. Die bislang zu beobachtende geringe Beachtung der Künstlersteinzeichnungen ist u.a. darauf zurückzuführen, dass sie an der Schnittstelle von Kunstgeschichte und Volkskunde angesiedelt sind. Für erstere handelt es sich bei den Künstlersteinzeichnungen „nur“ um Drucke, deren zum Teil beachtliche Auflagenhöhe sie in die Nähe von Phänomenen der Massenkultur rückte. Dazu kommt, dass es sich bei den für das Genre tätigen Graphikern durchwegs um Repräsentanten der der klassischen Moderne vorgelagerten Stilrichtungen handelte. Wir finden keinen „Blauen Reiter“ unter ihnen, allerdings bedeutende Vertreter etwa der Karlsruher Schule wie Gustav Kampmann, Karl Biese oder Hans Richard von Volkmann, des Münchener Jugendstils wie Walter Georgi und Angelo Jank oder Dresdner Künstler wie Fritz Beckert. Ihres in vielen Fällen unbestreitbaren, zwischen Impressionismus und Jugendstil changierenden künstlerischen Ranges wegen entzogen sich die Künstlersteinzeichnungen zugleich aber dem Interesse der Volkskunde, die sich vorzugsweise den Bilderfabriken des 19. und 20. Jahrhunderts und ihrer trivialen Wandschmuckproduktion zuwandte. Eben von dieser auf das Kleinbürgertum abzielenden Produktpalette mit ihren chromolithographierten oder später im Offsetdruck hergestellten röhrenden Hirschen, Schutzengeln und Elfenreigen grenzten sich die Künstlersteinzeichnungen programmatisch ab. Ziel des Projekts ist es, in einem ersten Abschnitt neben Aussagen zur Herstellungstechnik und Verlagsgeschichte eine Einordnung des Genres in den Kunst- und Kulturbetrieb der Jahrhundertwende um 1900 vorzunehmen. Im Zentrum stehen dabei die großen Leipziger Verlage B. G. Teubner und R. Voigtländer, die seit dem Dresdner Kunsterziehungstag von 1901 mit dem Karlsruher Künstlerbund kooperierten. Aber auch heute kaum mehr bekannte Verlage wie Fischer & Franke (Berlin/Düsseldorf), Merfeld & Donner (Leipzig) und Hubert Köhler (München) werden einbezogen. Dem analytischen Teil schließt sich ein Bildinventar an. In einem dritten Teil werden Biogramme und Werkverzeichnisse der beteiligten Künstler präsentiert.