Fundstück aus dem LGA - im Juni 2018

Gästebuch des Hauses Kopprasch in Kleingießhübel

„Die Großstadt ist ‚das Verderben und der Tod des Volkes‘. Sie ist ‚wurzellos, dem Kosmischen abgestorben und ohne Widerruf dem Stein und dem Geist verfallen‘ und Symbol kultureller Kristallisation – kann sich ‚verändern, nicht aber entwickeln‘. Sie läßt die ‚natürlichen Unterschiede der Gesellschaftsgruppen verschwinden‘; sie ‚vereinzelt‘ die Menschen und entfremdet sie ihres eigentlichen Wesens und sie ist gleichbedeutend mit einer ‚Vergewaltigung der natürlichen Gegebenheiten der Umwelt‘.“ (Nassehi, Differenzierungsfolgen, S. 227) So zumindest sahen es die ‚Klassiker‘ der Kulturkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und auch manchem dem Verlauten nach Stadtfrustrierten ist es wohl so gegangen. Gut, dass sich unweit der Stadt die Gegenfolie auf- und es sich sommerfrischelnd entspannen ließ: „Wird dir die Großstadt zum Übel, so zieh‘ nach Kleingießhübel“.

Das Fundstück aus dem LGA ist in diesem Monat das Gästebuch des Hauses Kopprasch aus vorgenanntem Ort. In den Jahren 1921-1936 wurden freundliche Grüße, manchmal auch noch zusätzlich Gedichte hinterlassen. Die meisten Besucher*innen, von denen manche – ganz typisch für die Sommerfrische – mehrere Jahre in Folge kamen, wohnten in Dresden sowie anderen näheren sächsischen Orten. Die Gäste blieben zwischen einem Tag und mehreren Wochen, reisten allein, zu zweit oder als (befreundete) Familien. Unter ihnen fanden sich Arbeiter*innen – denn auch für diese wurde der vergleichsweise günstige Landaufenthalt in den 1920er Jahren erschwinglich – ebenso wie hochrangige Beamte. Die Gastfreundlichkeit der Wirtsfamilie, ja das beinahe mütterliche Umsorgen werden ebenso beschrieben wie die Kontrasterfahrung zur Großstadt und die ‚schöne‘ Natur. Gelegen am höchsten Berg der Sächsischen Schweiz, sorgt auch die Marke des Österreichischen Touristen Klubs, Sektion Dresden für Bergfaszination im kleinen Gießhübel. Hinaus also zum fröhlichen Wandern! Sollte sich körperliche Ermüdung und Sehnsucht nach geistiger Betätigung einstellen, so liefert der Gästebucheintrag einer aus Dallas/Texas angereisten Sächsin vielleicht Anregung dazu, die Tagung „Nach Amerika“ am 7./8. Juni zu besuchen.

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